Jeden Sommer landen Millionen Pappbecher auf dem Müll. Ein Start-up will das ändern. Seine Tonbecher aus dem 3D-Drucker können Sie jetzt in Kreuzberg testen.
Waffel oder Becher? Das ist hier die Gretchenfrage. Und in Deutschland wird sie immer häufiger gestellt: Seit 1970, so heißt es in einem Artikel der Zeit, habe sich der Pro-Kopf-Verbrauch von Eiscreme selbst in unserem sonnenarmen Land fast verdoppelt; bei einer Befragung der Statistik-Plattform Statista gaben im vergangenen Jahr immerhin 2,65 Millionen Personen in Deutschland an, gleich mehrmals pro Woche ein Eis aus der Eisdiele zu schlecken. Oder eben zu löffeln. So genau weiß man das leider nicht.
Verlässliche Zahlen zum Verbrauch von Einweg-Eisbechern und -Löffelchen lassen sich nicht finden. Ziemlich wahrscheinlich ist aber, dass diese so deftig ausfallen, dass einem die Stracciatella-Kugel im Halse stecken bliebe. Einige Millionen beschichtete Pappbecher und Plastiklöffel werden es im Jahr schon sein, die nach dem etwa fünf Minuten dauernden Gebrauch nolens volens in der Tonne landen. Zumal auch das Milcheis an sich – entgegen dem veganen Sorbet – eine nicht wirklich nachhaltige Speise ist.
Nun will man sich das erfrischende Vergnügen natürlich nicht verderben lassen. Ein bisschen Eis im Sommer – das muss schon drin sein. Und es gibt sie ja, die nachhaltigen Alternativen für Besteck und Becher, die in den vergangenen Jahren in immer mehr Eisdielen angekommen sind. Löffelchen aus Holz oder Maisstärke zum Beispiel. Ein Laden in Stuttgart bietet sogar kleine wiederverwendbare Metalllöffel an, die sich am Schlüsselbund befestigen lassen. Andere Eisdielen wollen ihre Kundschaft mit einem Aufpreis für Einwegbecher umerziehen, ähnlich wie es Supermärkte oder Modegeschäfte mit der Plastiktüte tun.
Und dann wäre da ja noch die Waffel. Die hat aber gleich drei Haken: Wer im Eis-Business ordentlich arbeitet, muss die Waffel seinen Kundinnen und Kunden mit einer Serviette ummantelt überreichen – mit derselben Hand, mit der das Geld entgegengenommen wird, sollen aus hygienischen Gründen schließlich keine Lebensmittel angefasst werden. Essbare Eisbecher aus Waffelteig wiederum haben sich nicht wirklich durchgesetzt, weil sie zu schnell weich werden oder gleich durchsuppen. Und vor allem: Die Lust aufs kalte Eis mag im Sommer so gut wie immer groß sein – der Appetit auf das begleitende Hörnchen-Gebäck aber nicht unbedingt.
Ein neuer Vorstoß kommt nun aus Berlin: Das Start-up Gaea Star hat Einwegbecher aus Ton entwickelt und testet diese derzeit in einer Kreuzberger Eisdiele. Auf die Idee kam Unternehmensgründer Sanjeev Mankotia in seiner indischen Heimat. Dort werden Chai-Tees von Straßenhändlern in einigen Regionen im sogenannten Kulhar serviert: Einer handgefertigten groben Terrakottatasse, die nach dem einmaligen Gebrauch entsorgt wird. In Indien werden die umweltfreundlichen Kulhars, die komplett aus Erde bestehen, Schätzungen zufolge bereits seit 5000 Jahren verwendet – ihre Geschichte reicht also zurück bis in die Bronzezeit.
Bei Gaea Star wird diese Tradition nun mit neuester Technik zusammengebracht. Denn hier kommen die dünnwandigen Tonbecher, die es derzeit in zwei Größen gibt, aus dem 3D-Drucker. Wie das indische Original sind sie komplett kompostierbar; die Becher bestehen ausschließlich aus Ton, Wasser und Salz. Derzeit werden sie in einer Filiale der Eisdielen-Kette Rosa Canina getestet: Noch bis zum 3. September gibt es sie je nach Größe für einen Aufpreis von 30 beziehungsweise 50 Cent in der Markthalle Neun in Kreuzberg. Sollten sich die irdenen Einwegbecher dort bewähren, werden sie für alle fünf Rosa-Canina-Standorte in Berlin produziert.
Bei Gaea Star tüftelt man indes ebenso an nachhaltigen Lösungen für andere Einweg-Probleme: Das Unternehmen hat auch Ton-Einwegbecher für Coffee to go im Angebot. Wie dringend hier eine Alternative zum beschichteten Pappbecher gebraucht wird, lässt sich tatsächlich mit konkreten Zahlen belegen: Laut dem Umweltbundesamt werden allein in Deutschland jährlich rund 2,8 Milliarden Einwegbecher benutzt und weggeschmissen. Autsch.